Eine der größten humanitären Katastrophen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielte sich von 1945 bis 1948 im nördlichen Ostpreußen, in Königsberg und der weiteren Umgebung, ab. Über 100 000 Menschen starben an Seuchen und Unterernährung. Die Übrig-gebliebenen waren oft Kinder. Ohne Eltern, ohne Familie, ohne ein Zuhause waren sie ganz auf sich gestellt. Manche landeten in sowjetischen Heimen, andere flohen auf eigene Faust nach Litauen, um ihr Leben zu retten. Von der Tragödie dieser Kinder nahm die Welt jahrzehntelang nahezu keine Notiz. Erst in den 1990er-Jahren wurde die Öffentlichkeit auf ihre Schicksale aufmerksam. Damit begann ein neuerlicher Kampf um die ideelle – und politische – Anerkennung ihres unerhörten Leids.
Christopher Spatz rekonstruiert das Leben der damaligen Bettelkinder und lässt die Betroffenen selbst zu Wort kommen. In mehr als 50 lebensbiografischen Interviews erzählen die zwischen 1930 und 1942 Geborenen, wie sie das Unmögliche schafften und überlebten. Ihre Erinnerungen sind ein erschütterndes Dokument. Die Geschichte der ostpreußischen Hungerkinder bietet berührende Einblicke in ein uns heute fernes, doch so nahes Land. Es sind Blicke in die Seelen seiner letzten Kinder.
Dr. Christopher Spatz
promovierte nach dem Studium der Geschichte und Germanistik 2015 an der Berliner Humboldt-Universität zur Identität der ostpreußischen Wolfskinder. Er forscht weiterhin zur Zwangsmigration im östlichen Mitteleuropa und der Beziehungsgeschichte Deutschlands zu Litauen, Russland und Polen. Außerdem ist er in den Bereichen Trauma, Erinnerungstransfer und Familiengedächtnis tätig sowie Gründer der preußischen Denkfabrik.